Was bedeutet der Begriff „Orthomolekulare Medizin“ ?
Wörtlich übersetzt bedeutet es „Medizin der richtigen Moleküle“. Gemeint ist damit der gezielte Einsatz von Mikronährstoffen (Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Aminosäuren und bestimmte Fette) sowie neu erkannten essenziellen Substanzen in Prophylaxe und Therapie.
Die Prophylaxe gilt als eigentliche Domäne orthomolekularer Strategien, auch wenn im Krankheitsfall durch therapiebegleitende Verabreichung von Mikronährstoffen sehr gute Erfolge erzielt werden können.
Die Pharmakologie dieser Mikronährstoffe unterscheidet sich deutlich von der Pharmakologie der Arzneimittel. Mikronährstoffe haben z.B. im Vergleich zu Arzneimitteln eine viel grössere therapeutische Breite und wirken aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit im Stoffwechsel im Verbund. Sie lassen sich bei entsprechender Indikation auch gezielt einsetzen wie z. B. die Aminosäure Arginin bei kardiovaskulären Erkrankungen, das Peptid Taurin zur Entgiftung oder die Substanz Acetyl-Carnitin bei Demenz.
Natürlich gibt es auch vielfältige Kritik an der Mikronährstofftherapie. Es lässt sich jedoch häufig beobachten, dass den kritischen Einschätzungen Verallgemeinerungen zugrunde liegen. Meist wird nicht zwischen synthetischen oder natürlichen Substanzen unterschieden. Nur letztere haben eine korrekte Drehrichtung („linksdrehend“), wirksame Vorstufen und begleitende Phytofaktoren. Diese Differenzierung wird in den meisten Studien nicht vorgenommen. Viele synthetische Produkte enthalten einen hohen Anteil an Hilfsstoffen, um dem Produkt Aroma und Volumen zu verleihen.
Wenn vor den potenziellen Gefahren einer höheren Dosierung einzelner Antioxidanzien gewarnt wird, sind erfahrene Mikronährstofftherapeuten mit den Kritikern einer Meinung, da es biochemisches Grundwissen ist, dass viele Mikronährstoffe nur im Verbund wirksam sind. Ein isolierter Einsatz kann im Einzelfall auch problematisch sein.
So ist es weitgehend unbekannt, dass Vitamin E (Tocopherol) in höherer Dosis als Monosubstanz gegeben immer zunächst zu einem Freien Radikal (Tocopheryl-Radikal) wird und als Freies Radikal weiterhin aktiv ist, wenn es nicht unmittelbar durch äquivalente Mengen Glutathion, Vitamin C und Q10 regeneriert wird. Dies erklärt auch die Wirkungslosigkeit von Vitamin E in etlichen Studien, in denen es als Monosubstanz gegeben wurde.
Noch unbekannter dürfte die Tatsache sein, dass sich durch Omega-3-haltige Fischöle sogar Vitamin-E-Mangelzustände erzeugen lassen, da der Organismus zum Schutz der wertvollen Fettsäuren vor einer Oxidation auf seine Vitamin-E-Depots zurückgreift. Das gleiche gilt übrigens auch für Walnüsse (!), die –einzigartig unter den Nüssen- ähnlich den Fischölen Omega-3-Fettsäuren enthalten. Walnüsse haben ein „negatives Netto Vitamin-E“. Dies bedeutet, dass sie zu wenig natürliches Vitamin E enthalten, um den Oxidationsschutz der in ihnen vorhandenen mehrfach ungesättigten Fettsäuren zu gewährleisten.
Diese Beispiele machen deutlich, dass biochemisches Detailwissen in Kombination mit ärztlicher Erfahrung eine Voraussetzung für eine optimale Mikronährstoffstrategie ist.